Warum strikte Vorgaben für Heilpraktiker in der ästhetischen Medizin notwendig sind
Patientensicherheit: Zwei neue europäische Verordnungen sollen Patienten vor nicht qualifizierten Anwendern und minderwertigen Produkten schützen.
Der Fall sorgte in ganz Deutschland für Aufsehen. Eine selbsternannte Heilpraktikerin aus Bochum injizierte ihren Kunden Hyaluronsäure in Lippen und andere Gesichtsbereiche. 350 bis 650 Euro gaben die Opfer im Schnitt aus, zahlten allerdings einen weitaus höheren Preis: Mit Schmerzen, Blutergüssen oder Narben wurden sie anschließend bei einem auf ästhetische Medizin spezialisierten Arzt vorstellig, der die Anwendungsfehler weitestgehend korrigierte. Für schwere Körperverletzung und Betrug erhielt die angeklagte Kosmetikerin aus dem Ruhrpott vier Jahre Haft und eine Geldstrafe in Höhe von 36.000 Euro. Zwei neue EU-Verordnungen sollen zukünftig für mehr Patientensicherheit sorgen. Dabei zielt die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte (MDR) auf Verbesserungen im Bereich der so genannten Dermal-Filler. Die Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV) hingegen soll für mehr Sicherheit bei der Nutzung medizinischer Lasergeräte führen. Mit Inkrafttreten der Richtlinien wird es Laienanwendern deutlich schwerer gemacht, Behandlungen in der ästhetischen Medizin durchzuführen. Doch reicht das aus?
Was dürfen Heilpraktiker?
Filler wie Hyaluronsäure haben sich zu einen Lifestyle-Produkt entwickelt, das schnell in der Mittagspause oder – wie im Bochumer Fall – auf der Club-Toilette konsumiert wird. Neben ominösen Instituten, Kosmetikstudios und Friseursalons bieten auch Heilpraktiker Faltenunterspritzungen ganz offiziell an. Doch befähigt die heilkundliche Ausbildung mit möglichen Problemen wie Gefäßkomplikationen oder Nekrosen umgehen zu können? Fakt ist, dass Heilpraktiker ohne Nachweis der Fachkunde Hyaluron injizieren dürfen. Ebenso verhält es sich in der dermatologischen Lasermedizin. Heilkundige setzen Ultraschall-, Magnetfeld- oder Hochfrequenzgeräte ein, ohne die notwendige medizinische Expertise nachweisen zu müssen. Auch hier ist fraglich, ob der Patient bei plötzlich auftretenden Problemen in guten Händen ist.
Schluss mit minderwertiger Hyaluronsäure aus Fernost
Die neue MDR stellt erhöhte Anforderungen an die Qualität von Dermal-Fillern. Mit dem Inkrafttreten des Regelwerkes, ist die Zertifizierung für Filler wie Hyaluronsäure viel schwieriger zu erlangen. Für Importeure wird es dadurch deutlich schwerer, mangelhafte Produkte auf den europäischen Markt zu bringen. Ursprünglich sollte die Medizinprodukteverordnung ab dem 26. Mai 2020 gelten. Im Zuge der Covid-19-Pandemie kündigte die EU-Kommissarin Stella Kyriakides allerdings an, das Inkrafttreten der Verordnung um ein Jahr zu verschieben. Somit hat sich der Geltungsbeginn der Verordnung auf den 26. Mai 2021 verschoben. Unabhängig davon, dass nun auch weiterhin minderwertige Dermal-Filler den europäischen Markt erreichen, stellt die neue MDR keine Anforderungen an die Fachausbildung des Anwenders. Für das Injizieren von Hyaluronsäure muss weiterhin kein Nachweis einer medizinischen Qualifikation erfolgen.
Laseranwendungen nur noch mit Fachkundenachweis
Bereits am Ende dieses Jahres, also ab dem 31.12.20, stehen Veränderungen im Bereich der apparativen Lasermedizin an. Wer beispielsweise ein fraktioniertes Lasersystem einsetzt, muss die entsprechende Fachkunde bis spätestens 31.12.2021 nachweisen. Bei Nichteinhaltung drohen empfindliche Strafen von bis zu 50.000 Euro. Anbieter von Sachkundelehrgängen erleben derzeitig einen wahren Boom. Schließlich müssen sich nun eine Vielzahl von Heilpraktikern mit den Grundlagen der Haut und deren Anhangsgebilde beschäftigen. Auch die nötige Fachkunde der jeweiligen Technologie wird in den Lehrgängen vermittelt. Für den Patienten bedeutet die Überarbeitung der NiSV-Verordnung mehr Sicherheit. Er kann sich zukünftig sicher sein, dass ein Anbieter von Laseranwendungen zumindest über ein Mindestmaß an medizinischen Kenntnissen verfügt.
Klare Trennung zwischen Ärzten und Heilpraktikern
Um den Patientenschutz zu verbessern, werden in den ästhetisch-medizinischen Fachkreisen verschiedene Optionen diskutiert. So setzt sich die GÄCD dafür ein, Heilpraktiker grundsätzlich von minimalinvasiven Eingriffen auszuschließen. Die Tätigkeitsbereiche und Zuständigkeiten zwischen Ärzten und Heilpraktikern sollten klar abgegrenzt sein. Das Aufkommen der sozialen Medien hat dazu geführt, dass sich beide Berufsgruppen in der Patientenwahrnehmung nicht wesentlich unterscheiden. Darüber hinaus wird eine Verschreibungspflicht für Filler diskutiert, ähnlich wie es bei der Faltenbehandlung mit Botulinumtoxin der Fall ist. Kann Hyaluron nur auf Rezept in der Apotheke erworben werden, würde das den Handel mit minderwertigen Produkten noch stärker minimieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt zum Schutz des Patienten ist die Aufklärung. Minimalinvasive Behandlungen scheinen nicht so kompliziert zu sein und locken eine Reihe von Laienanwender auf den Plan. Auf Online-Portalen werden vermeintliche Arztleistungen versteigert und Eingriffe zu Schnäppchenpreisen angeboten. Die GÄCD hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Aufmerksamkeit von Patienten auf qualitativ hochwertige und sichere Behandlungen zu lenken, die sich von unseriösen Angeboten unterscheiden.
Was sollte ich bei der Wahl des richtigen Anbieters beachten?
Egal ob Tattoo-Entfernung per Pikosekunden-Laser oder eine Faltenunterspritzung mit Hyaluronsäure – auch minimalinvasive Eingriffe sollten im Idealfall nur von approbierten Fachärzten durchgeführt werden. Dies gibt den Patienten die Sicherheit, dass der Anwender über eine langjährige Ausbildung verfügt und mit möglichen Komplikationen umgehen kann. Mitunter müssen auch Medikamente verabreicht werden, die nur von einem Arzt verschrieben werden können. Verschiedene Fachgesellschaften bieten Hilfestellung bei der Wahl eines geeigneten Arztes. So können Patienten beispielsweise auf der Website der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland (GÄCD) nach fachkundigen Ärzten in ihrer Umgebung suchen. Seriöse Anbieter führen zunächst ein kostenfreies Aufklärungsgespräch durch, in dem die Wünsche und Motive des Patienten hinterfragt werden. Der Interessent kann sich während des Treffes einen persönlichen Eindruck verschaffen und sich über die Qualifikation und Erfahrung des Arztes sowie die eingesetzten Produkte und Geräte informieren.
Fazit
Mit den neuen EU-Verordnungen wird der Patientenschutz bei minimalinvasiven Eingriffen gestärkt. Für Anbieter von minderwertigen Derma-Fillern wird es dann schwieriger, ihre Produkte in Europa zu vertreiben. Im Bereich der Laserbehandlungen müssen die Anwender zukünftig ein Minimum an medizinischen Grundkenntnissen und das Beherrschen der Technologie nachweisen. Trotzdem ist in Sachen Patientensicherheit noch Luft nach oben. Die Tätigkeitsbereiche und Zuständigkeiten von Fachärzten und Heilpraktikern sind nicht eindeutig getrennt, was die Wahl eines qualifizierten Experten erschwert. Den besten Patientenschutz bieten spezialisierte Fachärzte, die im Falle von Komplikationen über die nötige Expertise verfügen.